Traumatherapeutische Verfahren

In den aktuell wissenschaftlichen Leitlinien zur Traumatherapie wird auf tiefenpsychologisch fundierte und auf verhaltenstherapeutische Therapieverfahren hingewiesen. Dabei fällt auf, dass beide Therapieformen etliche Internventionsformen aus anderen Therapieschulen übernommen bzw. integriert haben, so etwa aus den humanistischen und den körperorientierten Verfahren

Traumaadaptierte psychodynamische Therapie
Trauma war von Anbeginn ein Thema der psychodynamischen Therapien: schon S. Freud wies darauf hin, dass Agieren und Wiederholen das heilende Erinnern ersetzen und im Trauma die Vergangenheit sensomotorisch organisiert ist, so dass die traumatische Erfahrung dauerhaft wiederholt wird. Diese Hypothese hat durch psychotraumatologische Forschungsergebnisse neue Aktualität gewonnen und bildet auch heute noch eine Grundlage der modernen psychodynamischen Traumatherapie.

Die psychodynamischen Traumatherapien zielen insbesonderte darauf ab, die Fähigkeiten zur Selbstberuhigung und -tröstung in einer tragfähigen therapeutischen Beziehung zu fördern und nachzureifen: das "Durcharbeiten" der traumatischen Erfahrung geschieht wesentlich in einem "emotional resonanten" Prozess, der zugleich dem Aufbau einer sicheren Beziehung und der Gewissheit einer stabilen (inneren) Bindung dient.

Verhaltenstherapeutische Traumatherapie
Die Verhaltenstherapie erläutert, wie ein Trauma erlernt und vor allem aufrecht erhalten wird. Mit einer traumatischen Erfahrung entstehen traumatische Trigger: bestimmte Reize werden mit maximaler Angst und Erregung verknüpft. Diese körpernahe Verknüpfung bleibt posttraumatisch erhalten, wobei die auslösenden Reize schnell generalisieren, da die traumatischen Merkmale unspezifisch, d.h. etwa ohne Worte gespeichert und unwillkürlich erinnert werden.

Die posttraumatischen Belastungen können so durch eine Vielzahl von Reizen ausgelöst werden. Zugleich werden im Trauma die umfassenden Grundannahmen erschüttert, die das Selbst und die Welt, also alle Lebensbereiche betreffen. Therapeutisch kommt es darauf an, negative Kreisläufe des Lernens und ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufzudecken bzw. zu korrigieren, um zu verhindern, dass traumatische Erinnerungen sich stabilisieren, verbunden mit einer kognitiv-emotionalen Grundhaltung, dass die Welt keine Heimat mehr sein kann.

Humanistische Formen der Traumatherapie: Ego-State-Therapie
Die Ego-State-Therapie (von lat. ego = Ich, engl. state = Zustand) greift vielfältig auf humanistische Interventinostechniken (Arbeit mit inneren Anteilen) zurück und  trägt vor allem der Tatsache Rechnung, dass traumatisierte Menschen oft mittels Abspaltung traumatische Erfahrungen abwehren und so ihre Persönlichkeit fragmentieren (Dissoziation). Teile der Persönlichkeit werden mit hohem Aufwand vom Alltags- Bewusstsein fern gehalten, so dass innere Spannungen aufrechterhalten bzw. die Verarbeitungen des Traumageschehens verhindert werden.

Die Ego-State-Therapie hat den Ansatz, diese abgespaltenen Ich-Anteile im Rahmen eines Traumatherapie-Konzepts wieder in eine alltagsbewusste und wenn möglich harmonische Beziehung zueinander zu bringen, um so den Trauma-PatientInnen zu einem Wiedererstarken des Ich-Zustandes zu verhelfen.

Es wird vermutet, dass die sprachlosen traumatischen Bilder, die bis dato in der rechten Gehirnhälfte verankerten sind, dem Sprachzentrum zugänglich und somit im gegenwärtigen Erleben der betroffenen bearbeitet werden können. Zur Bearbeitung der Erinnerung werden die Patienten wiederholt angeleitet, kurzzeitig mit der belastenden Erinnerung in Kontakt zu gehen, während gleichzeitig eine bilaterale Stimulation (Augenbewegungen, Töne oder kurze Berührungen z. B. des Handrückens - so genannte „Taps“) durchgeführt wird. Dabei folgen die Patienten mit den Augen den Fingern des/der Therapeuten/in bzw. den auditiven oder taktilen Reizen, die rhythmisch im Wechsel links und rechts erfolgen. 

EMDR und körperorientierte Traumatherapie
Beim EMDR folgen die Patienten mit den Augen den Fingern des/der Therapeuten/in bzw. den auditiven oder taktilen Reizen, die rhythmisch im Wechsel links und rechts erfolgen, während traumanahe belastende Erfahrungen "sensorisch erinnert wird". Es wird vermutet, dass die sprachlosen traumatischen Bilder, die bis dato in der rechten Gehirnhälfte verankerten sind, dem Sprachzentrum zugänglich und somit im gegenwärtigen Erleben der Betroffenen bearbeitet werden können. 

In der körperorientierten Traumatherapie (Peter Levine) wird die Traumafolgestörung als unabgeschlossener bzw. blockierten Ablauf einer energetisch maximal aufgeladenen Überlebensstrategie von Kampf-Flucht-Erstarrung (fight-flight-freeze) verstanden. In wiederholt rhythmischen Bewegungen sollen die körperlichen Blockaden spürbar und die im Nervensystem fixierten Energien gelöst bzw. wieder in Fluss gebracht werden.

Verhaltenstherapeutische Spezifikationen: Mit dem Trauma wird gelernt, das "Leben zu vermeiden"
Die verhaltenstherapeutischen Konzepte fußen auf den Modellen der Lern- und Kognitionstheorie sowie den Theorien der Affektregulation: die Verhaltenstherapie erläutert, wie ein Trauma erlernt und vor allem aufrecht erhalten wird.

Mit einer traumatischen Erfahrung entstehen traumatische Trigger: bestimmte Reize werden mit maximaler Angst und Erregung verknüpft. Diese körpernahe Verknüpfung bleibt posttraumatisch erhalten, wobei die auslösenden Reize schnell generalisieren, da die traumatischen Merkmale unspezifisch, d.h. etwa ohne Worte gespeichert und unwillkürlich erinnert werden. Die posttraumatischen Belastungen können so durch eine Vielzahl von Reizen ausgelöst werden.

Zugleich werden im Trauma die umfassenden Grundannahmen erschüttert, die das Selbst und die Welt, also alle Lebensbereiche betreffen. M. Horowitz spricht von einer negativen Kaskade: die Angst vor traumatischen Erinnerungen steigert das Vermeidungsverhalten und verhindert, dass das Trauma bewältigt wird – posttraumatisch wird zunehmend „das ganze Leben“ vermieden.

Therapeutisch kommt es darauf an, negative Kreisläufe des Lernens und ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufzudecken bzw. zu korrigieren, um zu verhindern, dass traumatische Erinnerungen sich stabilisieren, verbunden mit einer kognitiv-emotionalen Grundhaltung, dass die Welt keine Heimat mehr sein kann.
 
Verhaltenstherapeutische Spezifikationen: Narrative Expositionstherapie
Ziel der Narrative Expositionstherapie ist es, die traumatische Erfahrung ins Wort zu bringen: die Erinnerung soll erzählbar und explizit abrufbar werden. Durch die bewusste Erinnerung soll die Möglichkeit unterbunden werden, dass sich beliebige Trigger mit der Traumaerinnerung verbinden und diffus flashbacks bzw. andere Traumasymptome auslösen. Indem der/die Traumatisierte das traumatische Geschehen selber erzählt, behält der/die Traumatisierte während dieser erzählenden Konfrontation die Kontrolle – so die therapeutische Intention.

Durch das aufmerksame Zuhören, ergänzt evtl. durch kurze körperliche Reaktionen (Kopfnicken, Bewegung der Augenbrauen etc.) oder durch Nachfragen usw. wird therapeutisch die sichere Beziehung bzw. die sichere Gegenwart betont und unterstrichen, dass das vergangene Trauma besprochen und bewältigt werden kann. Um  den flashbacks und Intrusionen nicht mehr nur passiv ausgeliefert zu sein, wird verhaltenstherapeutisch eine Technik eingeübt, sich von der Bedrohlichkeit der Intrusionen zu distanzieren: dabei wird die Vorstellung auf das Ende des flashbacks gelenkt mit der Idee, die flashs (noch) zu akzeptieren, statt sich ihrer zu erwehren: „kommen und gehen lassen wie ziehende Wolken“.

Der Konfrontation bzw. der Traumaerzählung gehen Therapieschritte voraus, in denen der „Sinn“ der Symptome erklärt und das Störungsmodell (Teufelskreis von Vermeidung und Symptombildung) besprochen werden; wichtige therapeutische Schritte sind Triggeridentifizierung, übenden Umgang mit flashbacks und kognitiven Umstrukturierungen.

Die Narrative Expositionstherapie erscheint geeignet für stabile Personen, die traumatisch etwa durch Monotraumen belastet, nicht aber von komplexen Traumafolgestörungen betroffen sind.

Verhaltenstherapeutische Spezifikationen: Expositionstherapie nach Foa
Die Prolongierte Expositionstherapie wurde konzipiert für PatientInnen, die das Trauma gedanklich und emotional stark abgespaltet haben oder sehr stark angstbesetzt abwehren.

In der Prolongierte Expositionstherapie werden die PatientInnen dazu angehalten, die traumatische Erfahrung mehrfach täglich zu erzählen und dabei besonders die emotionalen Erinnerungen zu forcieren, um für die innere Erlebnis- und Vorstellungswelt des/der PatientIn einen Ausdruck zu finden.

Verhaltenstherapeutische Spezifikationen: Cognitive Processing Therapie (CPT)
Die Cognitive Processing Therapy (CPT) wurde ursprünglich für Vergewaltigungsopfer entworfen, wird seither aber auch bei weiteren Patientengruppen mit komplexeren Traumata angewandt (Flüchtlinge, Soldaten u.a.). Die Cognitive Processing Therapy wurde  von Resik, Monson & Chard (2007) entwickelt: das Trauma wird in Zusammenhang mit Überzeugungen gebracht, die schon vor dem Trauma bestanden und offen waren für die traumatische Verletzung .

In der Cognitive Processing Therapy werden sogenannte stucking points, also „Hängepunkte“ bzw. Stolpersteine fokussiert, an den TraumapatientInnen emotional wie kognitiv „stecken bleiben“. Dabei fällt auf, dass es oftmals nicht die im Trauma erlebten Gefühle der Angst, der Wut oder etwa der Trauer/des Verlustes sind, die traumatisch stark nachwirken, sondern die mit diesen Gefühlen verknüpften Interpretationen bzw. Bewertungen.