Schuld, die bleibt (bleiben kann)

>Schuld und schuldig sein< erscheinen zunehmend als unzeitgemäße Begriffe, auch im kirchlichen-religiösen Raum, in dem sie wurzeln. Damit verblasst auch Bedeutung und Sinn von Vergebung, so dass schwer fassbare oder belastende Schuldgefühle verbleiben.

In sozialen Konflikten, aber auch im Blick auf das Selbst, wird jedoch >Schuld und Vergebung< praktisch und sofort greifbar: erlebtes oder zugefügtes Leid und Unrecht lässt keinen Frieden zu, ohne dass irgendwie Schuld zu- oder eingestanden wird. Oftmals werden Entschuldigungen verlangt – als eine Art Satisfaktion. Unser Alltag ist nach wie vor offen für Schuldfragen, ohne selbstverständlich auf vergebende Instanzen zurück greifen zu können.

Die Rechtsprechung kennt zwar schwache Formen der Wiedergutmachung – etwa als Entschädigung oder Ähnliches, nicht aber Vergebung, erst Recht nicht Satisfaktion. Bitter enttäuscht werden oftmals Kläger/innen, wenn Sie im Namen des Volkes ein Urteil vernehmen, dass in unserem Rechtssystem nicht darauf aus ist, zu bestrafen.

Wenngleich unsere Kultur nicht zentral religiös definiert ist, trägt sie tief eingelagert christlich-kirchliche Prägungen. Auffällig wird im kirchlichen Kontext häufig (vor-)eilig von Vergebung gesprochen – so schnell, dass persönliche oder soziale Schuld daran verblassen könnte und im Licht göttlicher Liebe etwa immer schon verwandelt erscheint.

Um die Dimension von Schuld und Vergebung zu erfassen - therapeutisch, (sozial-)ethisch und künstlerisch-ästhetisch – kommt es jedoch darauf an, sehen zu können, dass Schuld, die wir uns unter Menschen antun, auch bleibt. Vergebung macht es vielleicht möglich, dass Schuld auch bleiben darf.